Zum Tod einer alten Eiche

Kommentar von Kreisrat Frank Sühnel

24.10.2022 –

Nun soll sie endgültig gefällt werden, die uralte Eiche in Gelenau. Aus Gründen der Verkehrssicherheit. Gutachter haben nun herausgefunden, dass sie eine Gefahr darstellt. Nachdem ihr seit Jahren schon Gewalt angetan wurde: Beton, Verstümmelung, Vergewaltigung.
Nun endlich kann sie weg, weil sie den Verkehr gefährdet.
Ein Baum, der die Geschichte unserer letzten Jahrhunderte erzählten kann. Der alles gesehen hat. Der schon ein jugendlicher Baum war, als Luther seine Thesen an die Kirchentür nagelte. An dem vielleicht die Landsknechte des Dreißigjährigen Krieges vorbeigezogen sind. Unter dessen Krone die Sächsischen Kurfürsten Schutz gesucht haben können. In deren Schatten Lessing nachdachte. Vor der Napoleon sicherlich seinen Hut gezogen hat.
Unter der unzählige ganz einfache Menschen Rast hielten. Wie die in Pulsnitz bekannte Lehrerin und Pilzberaterin Elfriede Herschel, als sie für ihre Lehrerberufung im Herbst 1945 einen Termin in Kamenz hatte, wie sie mir mehrfach erzählte.  
Die Deutsche Eiche. „Was juckt es sie, wenn sich eine Wildsau an ihr schubbert.“ Aber wenn sie die Verkehrssicherheit gefährdet, dann ist Schluss. Über 500 Jahre stand sie da. Und nun wird ihr Todesurteil gefällt (eigentlich fiel das Urteil schon mit den ersten „Pflegearbeiten“), weil sie zu nahe an einer Straße steht. Die Eiche hätte, wenn auch mit paar abgebrochenen Ästen, noch viele viele Jahrzehnte leben können. In Würde dahin gehen.
Ein Baum, der unsere Geschichte verinnerlicht hat, der für unsere Historie steht, der aus unserer Mythologie nicht wegzudenken ist. Ein Baum, für den es eine Selbstverständlichkeit wäre, die Straße ein paar Meter um ihn herum zu legen! Aber auf den Gedanken kommt keiner. Weil einfach kein Respekt da ist, vor Natur, Kultur und Geschichte.

Frank Sühnel
Kreisrat