Friedenskundgebung 1. März 2022 in Kamenz

Rede Stadtrat Jörg Stern

01.03.2022 –

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,

am Donnerstag sind wir in einer neuen Welt aufgewacht. Wir fassungslos und tief betroffen über die Gewalt und das Leid des brutalen Angriffskrieges von Putin gegen die Ukraine. Es ist unerträglich die Bilder eines Krieges in Europa mit anzusehen. Viele von uns haben enge Beziehungen zur Ukraine und/oder zu Russland und sind so auch persönlich betroffen. Putin bereitete diesen Krieg langfristig vor, während gerade die deutsche Politik um Diplomatie und Deeskalation bemüht war. Nach der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim mit nur symbolischen Reaktionen des Westens hat Putin wahrscheinlich nur einen geringen Preis für die Ausweitung seines Machtgebietes erwartet. Es gab keinen ernsthaften Grund, der diesen Krieg rechtfertigt.

Wir sind hier zusammengekommen, um gegen diese Aggression zu protestieren, aber auch um angesichts einer gewissen Ratlosigkeit zusammenzustehen und über mögliche Maßnahmen zu diskutieren und auch darüber zu sprechen, was wir persönlich jetzt machen können.

Ich konnte mir diesen Krieg Putins nicht vorstellen, weil er, egal wie er ausgeht, Putin, Russland und dem russischen Volk nur Nachteile bringt, neben den Opfern, die politische und sonstigen Isolation und den wirtschaftlichen Niedergang, die auch zu Putins Untergang führen können.

Putins Handeln und seine Propaganda zeigen, dass er den Bezug zur Realität weitgehend verloren hat. Den russischsprachischen jüdischen ukrainischen Präsidenten Selenskij und seine Leute als drogenabhängige Nazi zu bezeichnen, den Angriffskrieg als Friedensmission zum Schutz der russischen Bevölkerung vor einem Genozid und als Antwort auf den Hilferuf der ostukrainischen Separatisten, die er einen Tag vorher erst als unabhängige Staaten anerkannt hat, erinnern an andere schlimmste Lügner in der Geschichte.

Das es Putin nicht um den Schutz russischer Menschen geht, sieht man am Beschuss der weitgehend von Russen und Russischsprachigen bewohnten Millionenstadt Charkiw.

Wir stehen an der Seite des ukrainischen Volkes, das sich tapfer gegen die große Übermacht der russischen Armee verteidigt. Wir sehen mit Hochachtung den mutigen Widerstand von Menschen in Russland gegen diesen Krieg, die von Polizeigewalt und harten Strafen bedroht sind.

Was kann die Welt tun?

Es sind umfangreiche Wirtschaftssanktionen beschlossen worden, die mit dazu beitragen können, dass Teile der Eliten und/oder auch immer größere Teile der Bevölkerung diesen Krieg nicht mehr mittragen. Wichtig wäre auch, dass die russische Bevölkerung erfährt, was wirklich in der Ukraine passiert.

Viele Staaten liefern jetzt Waffen an die Ukraine, die das bisher abgelehnt haben. Jedes Land und Volk hat das Recht auf Selbstverteidigung und die Unterwerfung unter Putins Diktatur ist für die meisten Ukrainer keine Option.

Es muss natürlich ein diplomatischer Weg offengehalten werden, um diesen Krieg schnellstmöglich zu beenden. Wenn der Krieg beendet ist, muss es Verhandlungen für eine neue Sicherheits-architektur in Europa und für Abrüstung geben, insbesondere auf atomaren Gebiet. Die legitimen Interessen Russlands, aber auch seiner Nachbarn, müssen beachtet werden. Die weitere Hochrüstung/mehr Waffen führen nicht zu einer friedlicheren Welt.

Was können wir machen?

Es gibt es eine große Flüchtlingswelle, meist Frauen und Kinder, die auf einige Millionen Menschen anwachsen kann. Bereiten wir uns darauf vor und bitte keine Massenunterkünfte. Wir haben allein in Kamenz noch hunderte leerstehende Wohnungen. Überlegen wir, was wir abgeben/spenden können, um diese einzurichten.

Spenden wir zur Unterstützung der Ukraine.

Sprechen wir mit unseren Verwandten/Bekannten in der Ukraine und Kriegsgegnern in Russland, um sie zu stärken, Sprechen wir mit Menschen in Russland und Deutschland, die immer noch Putins Propaganda folgen und versuchen wir, ihnen die Augen zu öffnen.

Putin droht mit weiterer Eskalation, mit dem Einsatz fürchterlicher Waffen auch gegen die Zivilbevölkerung, er droht mit seinen Atomwaffen.
Wir müssen uns darauf vorbereiten, dass die Energielieferungen aus Russland (Erdgas, Erdöl, Steinkohle) ausbleiben wegen Sanktionen der einen oder anderen Seite. Bereiten wir uns darauf vor und gehen wir nicht nur wegen der hohen Preise sparsam mit Energie um.

Hoffen wir, dass dieser Wahnsinn ein schnelles Ende findet.

 

Foto: Matthias Höhle