Das Drama um den Haushalt

Kreistagsfraktion

21.04.2021 –

Hinter dem gigantischen Zahlenwerk eines Kreishaushaltes verbergen sich die politischen Schwerpunkte der Kreisverwaltung. Es wurde uns Grünen sehr schnell klar, ist die Debatte um den Haushalt die einzige Möglichkeit innerhalb von zwei Jahren ist, die Kreisräte über diese politischen Schwerpunkte mitbestimmen zu lassen. Schon die erste Suche nach den Begriffen Klima, Energie oder auch Naturschutz in dem 80 Seiten starken Papier zeigte, dass dies keine Themen für die Kreisverwaltung sind. Grund für uns Grüne, sich dort einzubringen. Nach umfangreicher Recherche über die tatsächlichen Aktivitäten der Verwaltung hatten wir Änderungsanträge zum Haushalt gestellt, wo wir u.a. die dramatisch unterbesetzte Naturschutzbehörde um sechs Stellen erweitern, die Kosten für die Fortschreibung des Klimaschutzkonzeptes des Landkreises einstellen und zwei Stellen als Klimaschutzmanager schaffen wollten. Das allerdings nicht mit zusätzlichen Personal, sondern durch Umsetzung aus anderen Bereichen.

Allerdings ist das Verfahren zu Verabschiedung des Haushaltes gar nicht darauf angelegt, strukturelle Veränderungen zu beschließen. So wurden die Anträge der Fraktionen erst kurz vor der Kreistagssitzung in die Kreistags-Cloud eingestellt. Wie zu befürchten war, fanden wir keine Mehrheit für unsere Anliegen. Die Mehrheit der Kreisräte interessierte sich nicht für Sachthemen, schon gar nicht für Klimaschutz, sondern nur für das Gesamtbudget, das defizitär ist. Der Änderungsantrag von CDU und SPD, der letztlich in den Beschluss einging, sah eine Haushaltssperre für Personalkosten vor, die nur vom Kreistag aufgehoben werden kann. Nach unserer Auffassung ein zahnloser Tiger, der das eigentliche Problem des viel zu hohen Personalbestandes nicht lösen wird, aber eher dazu führen könnte, dass Personal gerade an wichtigen Stellen wie Naturschutz eingespart wird.

Diese Vorgänge um den Haushalt 21/22 waren für uns ein Lehrstück. Es wurde nicht nur klar, dass wir mit unseren Kernthemen ziemlich allein im Kreistag sind. Andererseits müssen wir beim nächsten Mail viel früher beginnen, für unser Anliegen zu werben, statt auf die Aktivitäten der Kreisverwaltung zu warten.
TROTZ ALLEDEM: Der Kampf, Themen der Nachhaltigkeit in der Verwaltung zu verankern, geht weiter.

Siegfried Kühn
Fraktionsvorsitzender BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

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Redemanuskript von Siegfried Kühn (Kreistagssitzung am 22. März 2021)

(...)

Wer beim Laufen immer nur auf seine Schuhspitzen schaut, der verliert leicht die Orientierung.

Unser zuletzt geborener Enkel wird im Jahr 2088 so alt sein, wie ich es jetzt bin. Und er hat ein gutes Recht, eine Welt vor zu finden, die nicht schlechter ist, als unser heute. Nicht die Jahresbilanz 2022 kann der Maßstab sein, sondern der Zustand der Welt am Ende dieses noch frischen Jahrhunderts.

Der heutige Zustand der Welt zwingt die Menschheit zu Akzeptanz von eigentlich überhaupt nicht neuen Erkenntnissen:

Erstens: Unser menschliches Leben beruht auf Bedingungen, die wir nicht geschaffen haben und auch nicht schaffen können. Sie zu zerstören, wird sich letztlich gegen uns richten. Unser Planet ist von einer einzigartigen Schönheit und einer einzigartigen Perfektion. Keine andere Spezies auf diesem Planeten würde den Ast absägen auf dem sie sitzt.
Zweitens: Alles was wir auf diesem Planeten vorfinden, ist endlich. Es ist aberwitzig, dies leugnen zu wollen. Das ist ein banaler Fakt, den man nicht erklären muss. Und dennoch beruht unser gegenwärtiges Wirtschaftssystem auf der Annahme, dass die Erde unendlich wäre. In einem endlichen System kann es kein unendliches Wachstum geben. Punkt.
Ein dritter Punkt: Unsere gesamte Zivilisation wie wir sie heute kennen, basiert auf der Fähigkeit der Menschen, sich fremde, externe Energie nutzbar zu machen.

Angefangen von den Zugtieren, von der Wasserkraft oder der Windkraft für die Mühlen bis heute zu den fossilen Energien.
Heute müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass uns auch Energie egal in welcher Form nicht in beliebiger Menge zur Verfügung stehen wird und die Nutzung von fossilen Brennstoffen exakt die Grundlagen genau dieser Zivilisation zerstört. Deshalb ist die Frage effizienten Energienutzung eine oder besser vielleicht DIE Schlüsselfrage für die künftige Entwicklung unserer Zivilisation. Wir haben nur eine Chance: Uns ein Beispiel an der Natur zu nehmen und unsere im Moment irrwitzige Energiebilanz zu verbessern Eine Blattschneideameise kann das zwanzigfache ihres Eigengewichtes tragen. Wir brauchen das zwanzigfache unseres Gewichts um uns fortzubewegen. Diese Herausforderung unterscheidet sich von allen in der bisherigen in der Menschheitsgeschichte. Das menschenfeindlich gewordene Klima ist menschlichen Zeiträumen nicht rückgängig zu machen, die verschmutzten Meere wir man nicht mehr reinigen können, die Degradation der Böden nicht aufheben, das Nitrat im Grundwasser nicht herausfiltern usw.

Es ist richtig, dass Klimaschutz eine Querschnittsaufgabe aller Abteilungen im LRA ist. Nur bedeutet diese Feststellung nicht, dass man dafür kein spezielles Wissen braucht. Da sollte man schon eine fundierte naturwissenschaftliche Ausbildung durchlaufen haben und wissen, was es mit dem zweiten Hauptsatz der Thermodynamik auf sich hat.  

Wenn wir es mit dem Klimaschutz ernst meinen, müssen alle künftigen Entscheidungen im Landkreis in Bezug auf ihre Auswirkungen auf das Klima bewertet werden.
Beispiele:
Radwege: Ein Fahrrad wiegt rund 20 Kilo
und man kann mit Kniescheibenzündung etwa 100 W Dauerleistung erzeugen. Schon ein Mittelklassewagen hat mit einem Gewicht von ca. 1500 kg heute mindestens 100 000 W Leistung bei meist gleicher Transportleistung. Nun kann mit dem Fahrrad nicht mal schnell von Bautzen nach Hoyerswerda fahren, aber 80 Prozent aller Wege die wir zurücklegen. sind weniger als 5 km lang.  Radwege sind eben mehr als nur ein Hobby von einigen wenigen.

Elektromobilität: Elektroautos sind dann klimafreundlich, wenn sie mit regenerativen Energien fahren. Derzeit hat der Landkreis zwar ein Elektromobilitätskonzept irgendwo in der Schublade liegen, aber nicht eine einzige Ladesäule mit klimafreundlichen Strom. Es wäre wichtig, dass der landkreis künftig mit E-Autos unterwegs ist, die mit eigenem klimafreundlichem Strom fahren. Andere Landkreise tun das längst.
Dies alles und viel mehr muss auf seine Wirkung auf das Klima bewertet werden. Dies kann man nicht nebenbei machen und es wie gesagt eine fundierte naturwissenschaftliche Ausbildung haben und Kilogramm von Kilowatt unterscheiden können. Und es ist notwendig, den Klimaschutzbeauftragten eine Stellung in der Verwaltung einräumt, die sicherstellt, dass das der erforderliche Einfluss auch tatsächlich wirksam werden kann.
Wer sonst, wenn nicht wir hier vor Ort soll dafür sorgen, dass die national und international gesetzten Klimaschutzziele erreicht werden,

Zum Naturschutz verweise ich auf das erstgesagte: Naturschutz kann keine Aufgabe zweiter Klasse sein, weil es um unsere Lebensgrundlagen geht. Umweltschutz ist keine Wohltat sondern erste Aufgabe der Daseinsvorsorge.  Wir haben in unserem Antrag auf die Stelle genau aufgelistet, wo es nach unserer Information am meisten brennt und dringend weiteres Personal benötigt wird. Wenn unser Landkreis so groß ist, wie das Saarland, dann kann man sich nur schwer vorstellen, dass für das gesamte Bundesland gerade einmal 15 Leute für den Naturschutz zuständig sind. Die Behauptung der Verwaltung, die Stellenzahl sei bereits aufgestockt worden, widersprechen unseren Informationen und wir konnten dafür keinen Anhaltspunkt im Haushaltplan finden.
Ich denke, wir haben unsere Anträge über das gesagte hinaus ausreichend begründet. Es sei noch einmal darauf hingewiesen, dass in unsere Anträge nicht um zusätzliches Personal geht, sondern um die Priorisierung hinsichtlich der Aufgaben. Sie wiedersprechen daher nicht den Intensionen der Anträge anderer Fraktionen. Auch die Sachkosten für das notwendige Klimaschutzkonzept sind angesichts möglicher Förderung marginal.

Immer mehr Wissenschaftler gehen der Frage nach, warum die Menschheit trotz aller die Fakten ignoriert und die Bedrohung nicht wahrnimmt oder nicht wahrnehmen will. Und es gibt auch immer Wissenschaftler, die sagen, dass es längst für eine Kehrwende zu spät ist. und der Menschheit von ihrem einmal beschlossenen kollektiven Selbstmord nicht abzubringen ist. Wenn wir keinen Aufwand gescheut haben, heute diese Anträge einzubringen, dann weil wir die Hoffnung nicht aufgeben wollen. Sie haben es heute in der Hand, sich auf die eine oder andere Seite zu stellen.

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Anträge der Kreistagsfraktion

  • Antrag zur Sitzung des Kreistages am 22.03.2021, Thema: Bestellung von zwei Klimaschutzbeauftragten für den Landkreis bzw. das Landratsamt    lesen hier
  • Antrag zur Sitzung des Kreistages am 22.03.2021, Thema: Fortschreibung des Energie- und Klimaschutzkonzeptes für den Landkreis Bautzen   lesen hier
  • Antrag zur Sitzung des Kreistages am 22.03.2021, Anpassung des Personalbestandes des Fachbereiches Naturschutz an die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts  lesen hier

 

INFORMATIONEN der Kreistagsfraktion hier